Dienstag, 21. Oktober 2008

Hausarbeit

So – Hausarbeit!!!

Wenn ich abwasche oder staubwische, so ist dies wahrlich eine einfache Arbeit. Ich muss nicht nachdenken, nicht überlegen sondern ich tue es einfach. Somit macht es sich wirklich „wie von selbst.“
Mein Kopf ist während dessen frei. Ich denke nach über dieses und jenes oder höre Musik. Manchmal geht es so über mehrere Stunden und wenn ich dann auf die Uhr sehe, stelle ich erstaunt fest wie schnell die Zeit verflogen ist.
Dann blicke auf die saubere Wohnung, den gepflegten Balkon und die duftende Wäsche, und was soll ich sagen: ein Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit macht sich breit. Jetzt, da alles erledigt ist, habe ich die Zeit mich anderen Dingen zu widmen, anderes zu erledigen, oder mich einfach auszuruhen.
Nichts liegt mehr herum und fordert mich stumm auf, es zu beseitigen.

"In der Psychologie bezeichnet man solche Erlebnisse als Flow Erlebnisse Mit Flow (engl. fließen, rinnen, strömen) wird das lustbetonte Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit bezeichnet, auf Deutsch in etwa Schaffensrausch oder Tätigkeitsrausch, Funktionslust.
Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi definiert den Flow wie folgt:
- Wir sind der Aktivität gewachsen.
- Wir sind fähig, uns auf unser Tun zu konzentrieren.
- Die Aktivität hat deutliche Ziele.
- Die Aktivität hat unmittelbare Rückmeldung.
- Wir haben das Gefühl von Kontrolle über unsere Aktivität.
- Unsere Sorgen um uns selbst verschwinden.
- Unser Gefühl für Zeitabläufe ist verändert.
- Die Tätigkeit hat ihre Zielsetzung bei sich selbst
Nicht alle Bestandteile müssen gemeinsam vorhanden sein.
Und grundsätzlich wird verstanden: Flow ist anders als "fun" und "kick", es scheint mehr zu sein, vielleicht in diesem Sinne auch "wertvoller".
Flow kann als Zustand beschrieben werden, in dem Aufmerksamkeit , Motivation und die Umgebung in einer Art produktiven Harmonie zusammentreffen." (Quelle: wikipedia)

Übrigens ein wichtiger in Bestandteil des Lebens, der glücklich macht.
Auch bei Klassenarbeiten hatte ich solche Gefühle manchmal und auch in meinem Beruf. Alles fügt sich zusammen, die Fähigkeiten, die man besitzt beginnen zu fliegen und man schafft Dinge ohne Anstrengung! Einfach ein Vergnügen!
So auch beim Kochen, beim Tanzen und gelegentlich beim Stöbern in Geschäften.
Und eben bei der Hausarbeit!
Das einzugestehen ist mir erst seit kurzer Zeit möglich und seit ebenso kurzer Zeit kann ich das endlich genießen ohne zu glauben, dass mit mir etwas nicht stimmen könnte.
Seit meiner frühesten Kindheit war es doch ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Gesellschaft uns Frauen zur Hausarbeit zu zwingen versucht – jedenfalls hatten mir das sämtliche Lehrer, Erzieher, Zeitungen, Eltern, Menschen aller Art so berichtet. Man wusste doch erst seit Kurzem, dass Frauen seit Jahrhunderten darunter litten, solche Arbeiten verrichten zu müssen. Man war an den wirklichen Fähigkeiten der Frauen nicht interessiert, sie durften sie nicht ausleben.
Die Männer zwangen die Frauen in die soziale Abhängigkeit, machten sie zu Knechten im Interesse des Machtanspruches - so wie man es eben mit Sklaven gemacht hatte. Sie beuteten uns aus. Und bei den meisten Frauen in anderen Ländern war das bis heute so.
Dies wusste ich. Aus der Schule von den Lehrern, aus dem Unterricht, aus den Medien, aus Berichten und Reportagen, aus Büchern und sogar aus der allg. Unterhaltung (Serien, Filme, Hörspiele).
So schreibt z.B. Alice Schwarzer in „Der große Unterschied“: „Bei der Hausarbeit geht es nämlich nicht nur darum, dass der eine arbeitet und der andere nicht. Es geht auch darum, wer dadurch welchen Status hat: Wer ist der Sklave und wird er Herr? Die moderne Kleinfamilie (...) hat jedem einzelnen Mann beschert, was früher nur den Priviligierten zustand – einen persönlichen Sklaven, genauer: eine Sklavin."

Nun, ICH durfte (sollte sogar) meine wahren Fähigkeiten frei entfalten. Ich habe Schauspielunterricht in der Schule genommen, ich habe Klavier gespielt, ich habe an Lesewettbewerben teilgenommen und immer gewonnen – worauf hin Theater auf mich aufmerksam wurden und mein Talent fördern wollten. So spielte ich während der Weihnachtszeit in Hamburg über Jahre in Theatern.
Das machte mir Spaß und ich erntete viel Anerkennung für meine Fähigkeiten.

Hausarbeit dagegen, das interessierte natürlich niemanden. Und mir war es eher peinlich, dass ich als selbstbewusste junge Frau mit Erfolg ausgerechnet bei etwas niveaulosem wie Hausarbeit so gut war und auch noch Spaß daran hatte. Also klammert ich diese Tatsache aus dem Leben völlig aus und die Hausarbeit erhielt endgültig den Stellenwert, den sie in der modernen Gesellschaft auch haben sollte: Sie wurde unwichtig und wertlos.
So konnte ich niemals feststellen, was für mich vielleicht eine (eine!) Berufung war...
So lebt man sein Leben und putzt an den Wochenenden (worauf man sich die Woche über schon freute, weil dann endlich Zeit war alles wieder fein herzurichten) und wundert sich insgeheim, warum man es immer wieder tut und warum es auch noch Spaß macht. Bis man irgendwann vergisst sich darüber zu wundern, da es keine Antwort zu geben scheint...

Irgendwann mit 27 Jahren las ich mal einen Artikel über das Thema und ein Satz den ich las erfüllte mich mit höchster Aufregung und ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern, dort stand: Hausarbeit ist für die Mehrheit der Frauen in Deutschland eine lustvolle, sinnliche Tätigkeit mit anschließendem Hochgefühl!

Bevor ich mich über „so viel Unsinn“ aufregen konnte fühlte ich das erste Mal so etwas wie Wahrheit bezüglich dieses Themas. Und ich merkte dass mir eine Schuld und Last genommen wurde und dass ich von nun an nicht mehr verdrängen musste, etwas vermeintlich Erniedrigendes so gern zu tun!
Ein befreiender Moment.

Ich hatte mich doch schon lange still gefragt: Wenn die Frauen es so sehr hassten, warum um alles in der Welt tun sie es und tun sie es und tun sie es dann?

Vor allem an meine Mutter musste ich denken. Meine Eltern arbeiteten beide bis um fünf Uhr nachmittags. Nach der Arbeit holte meine Mutter mich vom Kindergarten ab, ging mit mir einkaufen und am Abend zu Hause wurde gekocht, abgewaschen, Wäsche gewaschen und gebügelt. Mindesten einmal pro Woche gab es zwischen meinen Eltern Diskussionen deswegen. Mein Vater möge doch bitte helfen, schließlich arbeiteten ja beide gleich viel. Ein schlüssiges Argument – doch sobald mein Vater auch nur ansatzweise zu helfen versuchte wurde es noch schlimmer. Nichts machte er gut genug (das sah ich übrigens genau so ) und für alles brauchte er ewig lang. Meine Mutter empfand diesen Zustand als quälend. Und als sie einmal beruflich für eine Woche weg musste und ich mit meinem Vater den Haushalt alleine schmiss, konnte ich sie wirklich verstehen: Mein Vater stellte sich unheimlich blöd an – was war los mit ihm?

Wieder ein Baustein der Unterdrückungsmaschine?
In dem Buch „Der große Unterschied“ schien sich erneut eine Antwort abzuzeichnen: „Da sind zwei, von denen sich einer vom anderen bedienen lässt, zuschaut, wie der andere sich aufreibt, und auf dessen Rücken die Füße hochlegt. Und das ganze nennt sich dann Liebe. (...) Frauen sind es gewohnt, nicht um ihrer selbstwillen geliebt zu werden, sondern sich Liebe durch Dienstleistungen zu erkaufen. (...) Das ganze ist eine reine Machtfrage. (...) So schnell würden die Frauen gar nicht gucken können, wie die Männer sich ändern, wenn sie müssten.“

Soll man also einfach den Spieß umdrehen und alles liegen lassen, bis es ihm zu viel wurde?
Das hält man genau zwei Wochen durch und dann erträgt man die Unordnung nicht mehr!
Sind Männer wirklich so berechnend? Sie sagen doch immer sie würden den Haushalt gern mit uns teilen – warum tun sie es dann nicht? Um uns Frauen zu versklaven?
Ein wirklich unerträglicher Zustand: kann man mit jemandem der so abgebrüht und hinterlistig ist wirklich noch zusammenleben, ohne sich selbst zu verachten? Oder soll man weiter an die Vernunft glauben und für eine gerechte Aufteilung kämpfen, und wenn ja: wie lang?
Fast schien es so als sei man Opfer – Opfer eines gemeinen, hinterlisten, garstigen Wesens, das Verständnis heuchelt, lügt, betrügt und ausnutzt.

Als „tote Zeit“ bezeichnet man heute oftmals die Stunden, die man mit Hausarbeit verbringt. Warum also, ist diese „tote Zeit“ ein so wesentlicher Bestandteil im Leben unserer Mütter? Geht es ihnen darum sich die Liebe unserer Väter zu „erarbeiten“ – und wenn ja: Warum bereitet es mir so ein reines Vergnügen diese Tätigkeiten selbst zu verrichten? Ich lebte doch lang allein, und bis heute ereilt mich stets der Impuls etwas wegzuräumen, das unordentlich herumliegt - unabhängig davon wo oder bei wem ich mich befinde. Ich habe eher das Gefühl, dass es mehr Anstrengung bedeutet, diesem Impuls nicht nach zu geben.

Oder anders gefragt: Erarbeite ich mir Liebe von einem Mann, wenn ich bei meiner besten Freundin mal abwasche, weil mich die Unordnung stört? Bedeutet es Anerkennung von irgendeinem Mann, wenn ich mich auf den Samstag freue um in Ruhe meine Single-Wohnung sauber zu machen?

1 Kommentar:

  1. Ueberraschend, ich haette nie gedacht, dass jemand die Hausarbeit als befriedigend empfinden kann. Aber ich bin Kind derselben Zeit und so kenne ich die ganze Rhetorik. Fuer mich ist Hausarbeit etwas, was ich bis zum letztmoeglichen Termin hinausschiebe, z.B. bevor Gaeste kommen. Mein Bruder und seine Frau haben auch 50-50 angefangen, bis klar wurde, dass sie wohl 3x so schnell ist in der Hausarbeit und sie wichtige Zeit fuer die Familie verlieren. Nun sind sie zu einer "klassischen" Arbeitsteilung uebergegangen: Sie macht die Hausarbeit und er den Papierkram.

    --Andreas

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